Nie wieder Damaskus
Hasan Ze Alnoon (syrischer Dichter)
Aus dem Arabischen von Sandra Hetzl
Ausschnitt
1
Nie wieder Damaskus
hieß es nach der letzten Verhaftung
Nimm Abschied von den Freunden
vom Gesicht der Mutter
vom Grab des Vaters
und gib uns die Schlüssel zu deiner alten Wohnung
Nie wieder Damaskus
sagte mir der Mann von der Staatssicherheit am Flughafen
Wisch es dir gut ab, das Blut
sammele deinen restlichen Körper auf von ihren Straßen
Nie wieder Damaskus
Wehe, du hängst ihr nach.
2
Wenn dein Weinen auf dem Papier zu Poesie wird
wenn Blätter, Kugelschreiber und Exile mit dir weinen
wenn das Mittelmeer rappelvoll ist von uns
weil ihm das Wasser nicht genügt und uns das Meer nicht genügt
wenn du einen letzten Blick wirfst auf dein Land von Istanbul aus
und wenn du dein Land, dein ganzes Land in Athen wiedersiehst
und wenn du die Luft von Damaskus zart atmet siehst am Bosporus
und du die Gassen von Damaskus siehst als Möwen
die in Marmaris den Hafen umschwirren
und wenn du jeden Abend deine Heimat siehst
in den Nachrichten, geschändet
dann weißt du ganz genau
Du kannst nie mehr zurück
Nie wieder Damaskus
Und diese Namen gehören uns nicht mehr.
...
Berlin, Exil und Heimat
Hasan Ze Alnoon
Übersetzung ins Deutsche Rachel Clarke
Ausschnitt
1
Vielleicht weil ich ein Dichter der Brände war,
von dessen Bleistift Granaten regnen,
oder vielleicht
weil ich in einer Bar in Salzburg
eine Gedichtzeile wie Sprengstoff geschrieben,
oder weil die Musik am Stephansplatz,
zu leicht war, um meine Trauer,
meine Verswunden,
oder Wortschreie zu tragen,
entschieden sie
mich in eine entfernte Stadt zu verbannen.
2
Als sie mich befohlen haben,
Wien Richtung Berlin zu verlassen,
kannte ich keine der Gedichte, Reime oder Zeilen,
die auf der Autobahn warteten, um mich zu empfangen.
wusste ich damals nicht,
dass Berlin trotz seiner Wunden weiblich ist,
und Tausend Männern und Gedichten entspricht.
Ich wusste damals nicht,
dass die Poesie Berlins eigene Welten besitzt,
mit eigenen Verfassungen,
und einem eigenen Parlament;
Meine Tasche trägt die Wunden unserer langen Reise,
ich kam in die Stadt und meine Tränen suchten Damaskus,
ich verbreitete mich als wütende Wolke über den Himmel,
und regnete Liebe, Poesie und Tränen über Berlin.
...
Phantasmen eines Dichters
in Quarantäne
Hasan Ze Alnoon
Übersetzung aus dem Arabischen von Sandra Hetzl
Ausschnitt
An die Frau, die sich mich als Geliebten in ihre Kontaktlinsen steckte,
die meinen Körper in aller Öffentlichkeit trug
die überall erzählte, ich sei der Erste und Letzte
die mich mit dem letzten Kuss aus dem Fenster warf
und dann das Bett wieder allein umarmte:
Keine Sorge. Mein Skandal mit dir ist mein Stolz,
meine Niederlage vor dir ein großer Sieg.
Heute gestehe ich dir:
ich habe dich getragen in meinen Blutkörperchen
und du strömtest aus, wie Hyazinthenduft,
schlichst dich ein, zwischen meine Zeilen und Verse
und ich trug dich in mir, wie eine chronische Krankheit,
ohne Gegenmittel, außer Schreiben und Weinen.
Meine Tränen trockneten, meine Buchstaben wurden hohl,
und ich begab mich in deine Quarantäne.
Da überbordeten die Bäche meiner Poesie,
schlichen meine Lettern über braune Haut.
Ich gestehe dir, Gebieterin,
bei vollem Wahnsinn und von dir delirierend:
Ich streife durch die Straßen Berlins
und bettle die Gesichter der Frauen nach deinem an.
Hingeworfen in alte Kreuzberger Bars
prosten meine Enttäuschung und ich uns mit den Gläsern
des langsamen Todes zu.
Vielleicht kommt er dann ja schneller.
...